Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

                                        Leseprobe Mörder haben gute Gründe

Ein tragischer Unfall

Die Party ist in vollem Gang. Die Vorhänge vor den hohen Altbaufenstern sind zugezogen, Zuschauer unerwünscht. Die ersten Juchzer sind zu hören, das erste Glas ist hin; bald wird Mensching, der Griesgram, von Beruf Hauswart, klingeln und um Ruhe bitten. Der bringt sich gern in Erinnerung.
Baumer zieht sich in die Küche zurück und überblickt seine Vorräte: alles noch reichlich vorhanden. Der Champagner, das Selters, die Tütchen. Ab und zu spendiert er mal eine Linie. Besonders die Mädchen fahren darauf ab. Die Jungs machen mit. Baumer selbst: nie.
Baumer ist gerne Gastgeber für sein munteres Völkchen, alle in seinem Alter, niemand über dreißig. Er bildet sich ein, dass er besser aussieht als die Jungs, blond, blaue Augen, 1.80, fast.
Seine Kunden haben ihre Päckchen schon eingesteckt, für sie ist die Party zu Ende, sie werden gleich gehen. Sie haben noch Laufarbeit zu leisten bei der Verteilung. Sie sehen ebenso flott aus wie die anderen Gäste, vielleicht ein bisschen zu viel Schmuck. Baumer ist zufrieden mit dem Abend. Die Partys sind ein guter Deckmantel für seinen Handel.
Was ihm Sorgen bereitet, ist der Termin morgen Vormittag beim Chef. Bei Doktor Kramer, dem Leiter der Investmentabteilung der Großbank. Baumer ist ein kleines Licht in der Abteilung, aber das macht ihm nichts mehr aus, seit er seine Partys feiert.

Zehn Uhr. Baumer ist gebeten worden, Platz zu nehmen vor dem imponierenden Schreibtisch seines Chefs.
„Herr Baumer, uns ist zu Ohren gekommen, dass sie öfter mal feuchtfröhliche Partys feiern. Dass Sie auch sonst einen aufwändigen Lebensstil haben. Ihr Porsche. Da liegt für uns natürlich der Gedanke nahe, dass Sie Eigengeschäfte abwickeln. Was sagen Sie dazu?“
„Da hat wohl Kollege Manz mal wieder seine Fantasie spielen lassen. Sie können gern Einblick in meine Konten nehmen, da werden Sie nichts finden, was auf eigene Geschäfte hinweisen könnte. Der Porsche ist ein Gebrauchtwagen, günstig gewesen. Und sonst? Ich habe gern nette Leute um mich.“
„Schön, lieber Baumer, dass Sie uns selbst die Erlaubnis erteilen, Ihre Konten einzusehen; wir werden Gebrauch davon machen.“
Baumer ist ein Stein vom Herzen gefallen. Sie werden nichts finden. Weil sie an der falschen Stelle suchen. Investmentgeschäfte sind ihm zu riskant. Seine „Eigengeschäfte“ sind sicher und werden bar abgewickelt. Wie das Bargeld den Weg zu seinem Konto im Ausland findet, das zu regeln, war für ihn als Bankangestellten keine große Sache gewesen.

Trotzdem sitzt er in Gedanken versunken an seinem Arbeitsplatz. Was wird passieren? Sie werden nicht nur die Konten überprüfen, sie werden auch einen Detektiv auf ihn ansetzen. Das ist Usus in der Branche. Die haben Spezialisten an der Hand. Und wenn die bei Mensching auftauchen …

Mit Mensching hat er ein Gentlemen-Agreement. Baumer kichert, Gentlemen: ein Kokshändler und ein Erpresser. Er zahlt Mensching monatlich ein Zubrot zur Rente, damit der für sich behält, was bei Baumer an Paketen hereinkommt und an Päckchen hinausgeht. Dabei weiß der nicht einmal was Genaues, aber Vermutungen würden genügen. Der Polizei und jetzt auch den Detektiven, die mit Sicherheit auftauchen werden. Wenn die den Mensching in die Mangel nehmen …

„Kannst du mir mal deine Kaffeemühle ausleihen? Meine ist schon wieder kaputt.“ Baumer steht in der mickrigen Behausung Menschings.
„Na klar, aber mach meine nicht auch noch kaputt. Die neueste ist sie nicht mehr. Ich brauche einen edlen Spender, der mir eine neue kauft.“ Mensching lacht, er glaubt von sich, dass er Humor hätte. „Und bring sie mir vor dem Frühstück zurück.“
Wenn der wüsste, denkt Baumer.
Später am Abend fährt Baumer im klappernden alten Fahrstuhl hinunter in die Kellerräume. Ein bisschen versteht er von elektrischen Einrichtungen. Am nächsten Morgen ganz früh bringt er Mensching die Kaffeemühle zurück.

Am späten Nachmittag hält ihn Frau Spärlich von der Dritten am Fahrstuhl fest:
„Ist das nicht furchtbar?“
„Was denn, Frau Spärlich? Ist was passiert?“
„Was passiert? Ja, wissen Sie denn nicht? Der alte Mensching liegt im Krankenhaus. Im  Koma.“
„Nein. Ich weiß von nichts. Wie konnte das passieren? Wer hat ihn gefunden?“
„Ich!“
„Aber wie denn, wo denn?“
„In seiner Wohnung, in seiner Küche. Vor seiner Tür roch es so brenzlig, da habe ich bei seiner Nachbarin geklingelt, die hat den Schlüssel, die hat die Wohnung aufgeschlossen, die hat ihn gefunden. Aber ich hab’s gerochen.“

Mit tiefer Befriedigung liest Baumer in der Tageszeitung:
Schon wieder ein Unglücksfall wegen maroder elektrischer Anlagen in den alten Häusern an der Oberstraße. Der Rentner Aloysius M. brach zusammen, als er sich am Morgen seinen Kaffee zubereiten wollte. Sein Herz war schwach, einen Tag später ist er gestorben. Nach derzeitigen Erkenntnissen ein tragisches Unfallgeschehen, so die Polizei.

 

 

 

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?